Franziskusschwestern arbeiten eigene Geschichte auf

St. Josefshaus in Perlach

Gründer der Kongregation Peter Natili war um 1900 in München Missbrauchstäter.

Die Kongregation der St. Franziskusschwestern von Vierzehnheiligen hat mit einem Forschungsprojekt ihre Geschichte aufgearbeitet und dabei besonders die Zeit ihrer Gründung in den Blick genommen. Im Zuge der Untersuchung in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg wurde das ganze Ausmaß der schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfe gegen den Gründer der Gemeinschaft, Peter Natili (1842-1914), deutlich. Die Vorwürfe betreffen die Zeit von 1885 bis 1899 und hatten zur Folge, dass der Beschuldigte 1900 aus dem damaligen Königreich Bayern ausgewiesen wurde und in seine italienische Heimat zurückkehrte. Die Generaloberin der Franziskusschwestern Vierzehnheiligen, Schwester Regina Pröls, zeigte sich erschüttert über die aus Archivunterlagen gewonnenen Erkenntnisse, die einen dunklen Schatten auf die Gründungsgeschichte der Gemeinschaft legen.

Das Anliegen der Franziskusschwestern für das Aufarbeitungsprojekt sei eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, betonte Schwester Regina Pröls. „Es entsteht dadurch ein realistische Sicht auf die Geschichte und den Gründer, die ein verantwortetes Sprechen über die Missbrauchsfälle ermöglicht. Die bleibende Verantwortung, die sich für die Kongregation aus dieser Gründungsgeschichte ergibt, muss reflektiert werden.“

Die Anfänge der Kongregation liegen in den frühen 1890er Jahren in München. Dort hatte der italienische Hieronymitenpater Peter Natili zusammen mit einigen Krankenschwestern den Verein für ambulante Krankenpflege vom Hl. Josef gegründet. Die Krankenschwestern schlossen sich schon früh als Gemeinschaft zusammen, bezogen zusammen eine Wohnung, trugen eine gemeinsame Tracht und lebten nach einer religiösen Regel, die Natili verfasst hatte. Ab 1913 trug die Gemeinschaft die Bezeichnung „St. Franziskusschwestern“ und wurde 1921 von Erzbischof Dr. Jacobus von Hauck als Diözesankongregation in Bamberg anerkannt.

Die Kongregation der St. Franziskusschwestern hat sich mit der Unterzeichnung der Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen verpflichtet, ihren Beitrag zur Aufarbeitung und zur Präventionsarbeit zu leisten. Die Ordensleitung der Franziskusschwestern von Vierzehnheiligen entschied sich, die eigenen Missbrauchsfälle in ihrer Gründungsgeschichte aktiv aufzuarbeiten.

Die Untersuchungen ergaben, dass der Gründer Natili mindestens drei der damaligen Schwestern sowie eine verheiratete Frau, die er aus der Beichte kannte, sexuell missbrauchte. 1899 und 1900 musste er sich dafür vor dem Münchner Amtsgericht verantworten, wobei auch der Vorwurf im Raum stand, dass er illegale Abtreibungen selbst vorgenommen hat. Obwohl das Gericht den Zeuginnen glaubte, kam es zu keiner Verurteilung. Natili wurde jedoch in seine Heimat Italien ausgewiesen.

Seit Sommer 2020 betreiben die St. Franziskusschwestern die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in ihrer Gründungsgeschichte. Neben einer intensiven Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen über die Gründungsgeschichte innerhalb der Kongregation, die von Dr. Barbara Haslbeck begleitet wird, stehen sie in engem Kontakt mit der Professur für Pastoraltheologie und Homiletik der Universität Regensburg. Hier arbeitet Magdalena Hürten an einer Doktorarbeit, die sich mit dem vorhandenen Aktenmaterial auseinandersetzt und dieses unter pastoraltheologischer Perspektive auswertet. Sie analysiert, wie die Schwesterngemeinschaft, aber auch staatliche und kirchliche Behörden mit den Berichten über den Missbrauch umgingen unter der Fragestellung: Unter welchen Bedingungen war es möglich über den Missbrauch zu sprechen, wo wurden die Erfahrungen der Betroffenen gehört und ernst genommen, wo unsichtbar gemacht?

„Denn nur wer seine Vergangenheit wirklich kennt, hat eine Zukunft und kann diese gewaltfrei gestalten“, sagte die Generaloberin und betonte, dass der Gemeinschaft bisher keine weiteren Missbrauchsvorwürfe gegen Angehörige der Kongregation bekannt sind. Sollte es Betroffene geben, werden sie aufgerufen, sich auf Wunsch vertraulich zu melden bei der Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Bamberg Eva Hastenteufel-Knörr oder bei Sr. Dorothea Köhler, der Missbrauchsbeauftragten der Kongregation. Kontaktdaten finden sich hier: https://www.fs-vierzehnheiligen.de/praevention. Darüber hinaus bei der Anlaufstelle für Frauen, die als Erwachsene Missbrauch in der katholischen Kirche erfahren haben: https://www.gegengewalt-anfrauen-inkirche.de/startseite.html.

Die Kongregation der St. Franziskusschwestern Vierzehnheiligen hat derzeit in weltweit 16 Konventen 121 Professschwestern. Die Gemeinschaft hat Niederlassungen in Deutschland, Peru und Indien.

 

2023-11-07

"Wenn es dir gut tut, dann komm!"

(Franz von Assisi)