Du wartest auf mich

Es ist schon einige Jahre her.
Mitte November machte ich mich auf den Weg in Richtung Frankenwald zu meinen jährlichen Exerzitien. Ich konnte mich nur mühsam aus einem übervollen Alltag lösen und war übermüdet. In meinem Rucksack hatte ich vor allem ungelöste Fragen, ein paar Scherben und viele Zweifel:
Wie soll das heuer gehen? habe ich mich gefragt. Wie soll ich zur Ruhe kommen?
Und: was passiert mit mir, wenn ich zur Ruhe komme?  

Die Ankommensrunde war vorbei. Ich ahnte, dass es noch einigen ähnlich erging wie mir.
Dann sprach der Exerzitienbegleiter ein paar Sätze, die tief in mich gefallen sind – und die heute, am Vorabend des ersten Advent, wieder aufsteigen: „Mach nur noch eines heute Abend: stell Dir vor, da wartet jemand auf Dich – jemand den Du lange nicht gesehen hast. Er freut sich riesig auf dich. Er steht am Fenster, schon Stunden vor deiner Ankunft und wartet. Immer wieder schaut er auf die Straße – und er wartet voll Liebe und Sehnsucht…“

Du erwartest mich – mit liebevoller Aufmerksamkeit.
Du wartest auf mich – in Müdigkeit und Resignation.
Du wartest auf mich - in Enttäuschung und Schmerz.
Du wartest auf mich in Nacht und Zweifel.
Du erwartest mich in all meinen Sackgassen.
Da, wo nichts mehr geht, stehst Du,
begegnest meinem Blick,
hältst mich aus –
hältst mit mir aus, was ist,
nimmst meinen Rucksack ab
und legst den Arm um mich –
ADVENT – Du kommst bei mir an, wenn ich aufblicke und Dich anschaue – Du!

Sr. Martina Selmaier

"Wenn es dir gut tut, dann komm!"

(Franz von Assisi)