Wallfahrt

Jedes Jahr kommen tausende von Menschen als Wallfahrerinnen und Wallfahrer nach Vierzehnheiligen. Der Ursprung der einzelnen Wallfahrten liegt oft in einem alten Gelübde. Über Jahrhunderte hinweg entstanden und entstehen noch immer lange Wege, von Gebeten und Liedern gezeichnet.

Mich berührt der Gedanke, wie viele Sorgen und Nöte, aber auch Dank und Freude auf diese körperlich so spürbare Weise, zu Gott getragen wurden und werden. Die Sorgen und Nöte der „Stadt und des Erdkreises“ finden Platz in den Gebeten und Liedern.

Manch einer mag die sportliche Leistung als Antrieb sehen. Wem es aber nur um das Sportliche ginge, hätte genug Gelegenheit – Angebote für sportliche Laufveranstaltungen gibt es zuhauf. Da ist es nicht (mehr) notwendig, sich als Wallfahrer auf den Weg zu machen. Wer pilgert, wer als Wallfahrer unterwegs ist, verbindet sich unweigerlich mit Gott.

Bei manch einem steht die Motivation im Hintergrund, mit diesem Weg etwas Gutes zu vollbringen, einen Anteil zu leisten, einen Beitrag zu geben, eine Schuld zu bezahlen. Ich bin überzeugt, dass Gott sich nicht durch unsere Leistung beeinflussen lässt – Gott braucht das nicht! – aber es hilft uns, tätig zu werden, wo wir nichts tun können, wo wir uns hilflos fühlen.

Manch einer schätzt die Erfahrung des langsamen Unterwegsseins. In der immer schneller werdenden Zeit braucht es so etwas wie Fußwallfahrten, um der Seele Zeit zu geben, mitzukommen. Vielleicht sogar, um uns selbst wieder einzuholen. Wallfahrer sagen mir, dass sie auf ihrem Weg endlich zu sich finden können, wieder bei sich selbst sein können und neu gestärkt in ihren Alltag zurückkehren.

Was auch immer die Motivation zur Wallfahrt ist – sie ist so verschieden, wie die Wallfahrer selbst.

Der Weg der Wallfahrt führt durch unsere fränkische Heimat. Es geht bergauf und bergab, durch schattige Wälder und offene Felder, durch kühle Täler und über windige Hügel. Dem Wetter wird getrotzt – egal ob Regen oder Sonne. Die Gemeinschaft der Wallfahrer trägt den Einzelnen. Die Gebete und Lieder geben den Rhythmus. Jeder Schritt bringt die Wallfahrt, bringt mich dem Ziel näher.

Und wenn das Ziel vor Augen steht, kann es mit dem nächsten Schritt dem Blick schon wieder entzogen sein. Doch das Wissen um dieses Ziel gibt Kraft zum Weitergehen. Ebenso wie das Wissen, dass schon unzählige Menschen den Weg zuvor gegangen sind.

Wichtig sind auch die Menschen um mich herum. Sie haben das gleiche Ziel, werden zu Weggefährten, die mit mir unterwegs sind. Sie sind wie eine Familie auf Zeit, aufeinander achtend.

Und dann sind da die Menschen am Wegesrand: mehr oder weniger beteiligte Zuschauer, neugierig, mitleidig, neidvoll, verständnislos, abschätzig. Da heißt es, Begegnen und Zurücklassen. Manch einer begleitet die Wallfahrer noch ein Stück in Gedanken. Und die ehemaligen Wallfahrer, die nicht mehr selbst mitgehen können, sind im Herzen der anderen dabei.
Angekommen am Ziel bleibt nicht lange Zeit zu verweilen. Der Rückweg ist genauso wichtig, wie der Hinweg. Der Alltag wartet zu Hause und umfängt einen „neuen“ Menschen.

Wallfahren ist kein Spaziergang. Wallfahren ist Mühsal. Wallfahren ist aber auch geteilte Freude und geteiltes Leid.

Und mich beschleicht der Gedanke, dass es auf meinem Lebensweg ähnlich ist.

Sr. Katharina Horn

"Wenn es dir gut tut, dann komm!"

(Franz von Assisi)